Freitag, 7. April 2017

Wenn das Haus brennt - Ausstieg aus der Ärgerspirale



Die Freude flieht auf allen Wegen,
der Ärger kommt uns gern entgegen.
(Wilhelm Busch)



Wenn Ihr Haus brennt, dann löschen Sie es. Sie drehen sich wahrscheinlich nicht um, lassen ihr Haus abbrennen und machen sich auf die Suche nach dem Brandstifter, um ihn zu bestrafen. Auf diesen guten ‚Hausverstand‘ greift der buddhistische Mönch Thich Nhat Hanh in seinem Buch ‚Ärger – Befreiung aus dem Teufelskreis destruktiver Emotionen‘ zurück und empfiehlt im Anlassfall: Kümmern Sie sich – wenn jemand Sie ärgert – sofort um ‚Ihr Haus‘. Also um den eigenen Ärger, um sich selbst. Denn leicht kann es passieren, dass der Ärger der anderen Ihren Ärger entzündet und es entsteht eine Konflikteskalation, ein Flächenbrand, der vielleicht mehr zerstört als Ihnen lieb ist.   

Viele Menschen, die mit Zorn, Wut und Ärger konfrontiert sind, tun aber genau das: sie lassen ihr Haus abbrennen und rächen sich stattdessen beim ‚Brandstifter‘. Das reicht von kleinen Sticheleien bis hin zu unkontrollierten Ausbrüchen. Wer der Wut gar keinen Ausdruck verleihen kann, frisst sie in sich hinein und erstickt damit in sich Lebendigkeit, Freude und Motivation. Oder äußert sich hintenrum schlecht über den betreffenden Kollegen, die Kundin oder Führungskraft – in der Küche oder im Raucherraum. Alle diese Reaktionsmuster sind nur allzu menschlich und verständlich. Alles das zerstört aber nicht nur das Organisationsklima, sondern auch das Wohlbefinden der beteiligten Personen. Dann prägt das ‚Runterschlucken‘ und ‚Hintenrum-Reden‘ die Organisationskultur.  Wir hören beim Briefing mit AuftraggeberInnen: ‚Wir haben ein negatives Betriebsklima, dabei sind unsere Arbeitsbedingungen gut.‘ Oder: ‚Wir erwarten uns mehr Selbstverantwortung und Motivation, aber irgendwie klappt es nicht.‘ 

Was kann jeder und jede einzelne dazu beitragen, mit Ärger konstruktiv umzugehen und aus der Negativspirale auszusteigen? Wie verhindert man den Brand im eigenen Haus? Wie löscht man ihn, wenn es doch einmal passiert? Wie kümmert man sich gut um sich selbst, wenn der Ärger da ist, die Wut rot auflodert oder die Resignation droht? 

Empathie ist das Schlüsselwort. Empathie bedeutet Mitgefühl und meistens denken wir dabei an das ‚Mitfühlen‘ mit anderen. Hier ist jedoch auch das ‚Mitgefühl‘ mit sich selbst gemeint. Ärger, Wut und Zorn sind wichtige Emotionen, denn sie weisen uns darauf hin, dass etwas nicht stimmt. Etwas bedarf unserer Zuwendung, möchte geklärt oder verändert werden: das kann eine Situation, ein zwischenmenschliches Verhältnis oder auch das eigene Bewertungsmuster betreffen.
Was also tun, wenn wir unseren Ärger spüren? Hinhorchen -  Hinspüren - Hinschauen! Im Ärger stecken wichtige Gefühle und dahinter wichtige Bedürfnisse, die nicht erfüllt sind. Viele Menschen lernen, insbesondere im Berufsleben, dass es wichtig ist, ‚die Dinge nicht persönlich zu nehmen‘, nicht emotional zu sein, sondern sachlich‘. Tatsächlich ist es im Zusammenhang mit Ärger und Wut wichtig, nicht aus dem Impuls heraus zu handeln. Aber ‚nicht emotional zu sein‘ ist für Menschen gar nicht möglich, Emotionen gehören zum Menschen dazu wie die Rationalität und sind wichtige ‚Werkzeuge‘ für das Handeln. Nur wenn Gefühl und Verstand zusammenspielen, dann entstehen stimmige Entscheidungen und Handlungen.
Marshall Rosenberg zieht in diesem Zusammenhang in seinem Buch ‚Was deine Wut dir sagen will: überraschende Einsichten‘ den Vergleich zwischen der Wut und einer Warnblinkanlage im Auto. Wäre unsere Wut ein Warnsignal im Auto, das zum Beispiel ein Problem mit Öldruck oder Wassertemperatur anzeigt, würden wir ja auch nicht schnell ein Tuch darüber werfen und hoffen, dass dadurch der Motorschaden vermieden wird. Rosenbergs Schlüsselbotschaft ist: klären wir unsere aufrichtigen Gefühle und Bedürfnisse und machen wir diese zur Basis unserer Handlungen. Nehmen wir einmal Abstand von der Bewertung oder Abwertung der Person oder Situation, die den Ärger ausgelöst hat. Denn diese Situationen sind NUR die Auslöser und nicht die Ursache des Ärgers. 


© Nadja Schefzig - kompetenzkreis
Die Ursache liegt in uns selbst, in unserer Bewertung der Situation und im Umgang damit. Darin liegt eine große Freiheit, aber auch eine ungewöhnliche Verantwortung. Statt sich zum Opfer und die anderen zu TäterInnen zu machen, haben wir es selbst in der Hand, ob wir einer Situation oder einer anderen Person die Macht über unsere Gefühle, Bedürfnisse und letztlich auch Handlungen und deren Konsequenzen überlassen.


Was heißt es also: sich um das Feuer im eigenen Haus zu kümmern? Es bedeutet den eigenen Gefühlen nachzuspüren und die damit verbundenen Bedürfnisse zu erkunden. Wir schauen nicht auf die ‚böse Tat‘ der anderen, sondern auf das ‚was wir selbst brauchen‘, was uns ‚guttut’ und kümmern uns darum, dass wir uns diese Bedürfnisse erfüllen. Oder aber wir übernehmen die Verantwortung dafür, wenn wir das nicht tun.


Zu Ihrer Information: In diesem Blog ging es darum, was der individuelle Mensch tun kann, um 'aus der Ärgerspirale auszusteigen'. Was aber können Unternehmen und Organisationen dazu beitragen? Davon handelt der kommende Blog.